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Information

Klangausstellungen im ZeM Ambiente

Rainer Fiedler stellt seine Galerie ZeM Ambiente (Freiburg) zur Ausstellung von Klängen zr.rr Verfügung. Seine bisherige Bilderausstellung ist weitergewandert. Jeder, der etwas vorführen möchte, soll sich bei Rainer Fiedler melden. Das ZeM Ambiente steht ab Ende Oktober alle 14 Tage regelmäßig zu Vorführungen bereit, entweder Sonntag vormittags oder Samstags.

Diskussionswochenende im Schwarzwald

Am 20. und 21. November [1993]veranstaltet ZeM Freiburg ein Diskussionswochenende im Fachschaftshaus am Schauinsland. Alle Fragen, die die Elektronische Musik betreffen, sollen ausführlich erörtert werden.

 

 


Gerda Schneider

Vorführen, was die Leute hören wollen?

Angenommen, wir wollten uns bei unseren Vorführungen genau nach dem Geschmack der Leute richten, so müßten wir wissen, was die Leute wirklich hören wollen. 
Um eine Antwort darauf zu finden, kann man einfach die eigenen Erfahrungen auswerten, man kann sich auf Umfragen, die die sog. Hörgewohnheiten erfassen, stützen, und man kann natürlich auch einfach eine Zeitlang sich die Programme mit den höchsten Einschaltquoten anhören. Als Ergebnis der Untersuchungen kann dann der musikalische Geschmack der übergroßen Mehrheit in unserer Gesellschaft festgestellt werden, der etwa folgendermaßen beschrieben werden kann: "Man wollte da nichts Ausgefallenes vorgesetzt bekommen, keine Tonkombinationen, an die sich das Ohr erst gewöhnen mußte. Man wollte Musikstücke des vertrauten Stils, vielleicht in der neuesten, modernen Fassung hören, aber nichts Schwieriges, nichts hoch Individualisiertes, nichts Anstrengendes. Kurzum, man erwartete von den jungen Künstlern gefällige, angenehme Musik. Nur technisch, nicht ihrer Gestaltqualität nach, durfte sie schwierig sein. Virtuosen wurden bewundert." (S.106) "Der Konsens der Mächtigen diktierte den Geschmack in den Künsten" (S.118)... "das breitere ... Publikum wollte vor allem unterhalten sein, es suchte nach Abwechslung" (S.119). 
Beim Lesen des Zitats ist sicher aufgefallen, daß sich die Beschreibung auf ein Publikum der Vergangenheit beziehen muß. Gemeint ist das höfische Publikum zur Zeit Mozarts (1), doch lassen sich diese Aussagen ohne weiteres auf heute übertragen. Wenn sich auch die Gesellschaft stark verändert hat und wir dadurch ein weitaus größeres Maß an Freiheit und damit die Möglichkeit zur Individualität haben, und wenn auch die Institution des freien Künstlers für uns selbstverständlich ist - so gibt es doch auch in unserer Gesellschaft "Mächtige", die den Kunstgeschmack bestimmen, und es gibt ein breites Publikum, das in der Weise, wie beschrieben, Kunst genießen und konsumieren will. Und so wie zu Mozarts Zeiten innerhalb des breiteren Publikums ein kleiner Kreis von "enthusiastischen Musikliebhabern" auszumachen ist, die das Neue begeistert aufnahmen, so wird man auch bei uns ein kleines Publikum finden, das dem Neuen gegenüber aufgeschlossen ist.
Man wird sich vielleicht noch darüber wundern, daß bei dem großen Maß an Bildung, das in unserer Zeit breiten Volksschichten zuteil wird, eben diese Bildung sich nicht anders auf den musikalischen Geschmack auswirkt, und man wird dafür auch Erklärungen finden... 
Man wird auch feststellen, daß es den Geschmack nicht gibt, daß der Geschmack des Publikums sich ändert und daß ein- und dieselbe Musik zu entgegengesetzten Wirkungen führen kann: Was die einen zu Tränen rührt, läßt andere kalt, und was viele Menschen seelisch ins Gleichgewicht bringt und psychisch aufbaut, führt bei anderen zu entgegengesetzten Reaktionen. So wird z. B. in den USA klassische Musik zur "psychologischen Kriegsführung" gegen Jugendbanden eingesetzt, weil man in Erfahrung gebracht hat, daß diese solche Musik so hassen, daß sie schleunigst die Parkplätze vor den Einkaufsläden verlassen. (2)
Ergebnis also: Wenn es den einen beständigen Geschmack des Publikums nicht gibt, so muß der Künstler, der sich am Geschmack des Publikums orientieren will, aus der Gesellschaft einen Teil aussuchen, den er als Publikum haben möchte, und er muß dann versuchen, dessen Geschmack zu treffen. Das werden nun nicht gerade die Jugendbanden sein, vielmehr ist davon auszugehen, daß er ein kunstinteressiertes Publikum ansprechen will. Doch da treten neue Schwierigkeiten auf: Was versteht denn dieses Publikum unter Kunst und was für Kunst erwartet es? Ich würde es gerne wissen und schlage in einem Buch nach mit dem Titel "Was ist Kunst" (3) und finde über 1000 interessante, sehr unterschiedliche und z. T. kontroverse Antworten: Die einen betonen das Können, andere das nicht auf einen Zweck Ausgerichtetsein, wieder andere sehen in der Kunst eine typisch menschliche Fähigkeit, noch mal andere betrachten die Kunst als Schöpfung, die etwas Neues, noch nicht Vorhandenes hervorbringt, dann Kunst als ein gleiches und zugleich ungleiches Abbild der Welt, oder Kunst als Form, als eine klare gesetzmäßige Sache; Kunst wird auch definiert als Nachahmung der Natur, für andere wiederum ist Kunst zunächst der Gegensatz von Natur; Kunst wird auch als das Heilmittel gegen den Pessimismus angesehen, als eine Sprache von Menschen zu Menschen, als beruhigende Illusion und auch als Aufruhr, Kunst wird gedeutet als Mittlerin zwischen Gott und unserer Seele, Verzierung dieser Welt, Konsumware, eine Form der Erkenntnis, aber auch als ein wunderbares Gegenstück zur Wissenschaft... usw.
Welche Auffassung von Kunst wird denn nun erwartet? Für welche Auffassung von Kunst soll dann derjenige, der bringen will, was die Leute hören wollen, sich entscheiden? Diese Frage muß ich zwar stellen, wenn ich davon ausgehe, daß die Kunst das bringen soll, was die Leute hören wollen, sie ist aber andererseits Unsinn. Die vielen Aussagen lassen wohl erkennen, daß die Auffassung von Kunst sich ändert. Dieser Wandel ist aber nicht auf eine Anpassung des Künstlers an den jeweiligen Publikumsgeschmack zurückzuführen, sondern er ist abhängig von der Zeit, in der der Künstler lebt. Eine solche Zeitbedingtheit, der sich wohl auch ein Künstler kaum entziehen kann, ist aber etwas anderes als eine willentliche Ausrichtung am jeweiligen Geschmack des Publikums. Viele Aussagen in dem genannten Buch lassen vielmehr erkennen, daß die Künstler ihre Auffassung von Kunst im Gegensatz zum herrschenden Geschmack vertreten haben, als eine Auffassung, die von der Person des Künstlers nicht zu trennen war. Bei der Frage, ob Anpassung oder nicht, geht es also nicht nur um Frage des Geschmacks, sondern auch um die Frage der Identität oder der Wahrheit.
Doch unabhängig davon, was die 'Autoritäten' sagen, ergibt sich eine Antwort aus folgender Überlegung: Da der Künstler kreativ ist, ist er nicht nur 'Kind seiner Zeit', sondern auch seiner Zeit bzw. seinen Zeitgenossen voraus. Das Neue, das er bringen wird, kann das Publikum ja noch gar nicht kennen. Der Künstler kann demnach auch nicht genau wissen, wie das Neue beim Publikum ankommen wird. Sicher ist nur, daß das Neue zwangsläufig im Widerspruch zu den Gewohnheiten der - wenn es um Musik geht - Zuhörer steht und daß viele Zuhörer, je nach dem Grad ihrer Offenheit, zunächst eine Abwehrhaltung gegenüber dem Neuen und damit auch Fremden einnehmen werden. Vielleicht werden auch einige oder viele mit Verärgerung reagieren, weil sie sich persönlich nicht angesprochen fühlen. Und wenn nun, stellvertretend für diese, nach Chr. Morgenstern "Herr Meier sagt, wozu doch eure Kunst, wenn nicht für mich! Sonst ist sie eitel Dunst"? (4), was soll man dann darauf antworten?
Man könnte mit Arnold Schönberg sagen: "Denn wenn sie Kunst ist, ist sie nicht für alle, und wenn sie für alle ist, ist sie keine Kunst" (5), doch soll ja gerade mit der E.M. die elitäre Abgrenzung aufgehoben werden. Als Antwort auf Herrn Meiers Frage möchte ich aus dem bereits genannten Buch ein anderes Zitat nehmen: "Kunst ist heute nicht nur für eine kleine Elite, sie ist heute für alle gleich zugänglich, die sich darum bemühen" (6). Es wird niemand ausgeschlossen, insofern ist die Kunst für alle, aber jeder muß sich darum bemühen. Da dies nicht alle tun, ist natürlich Kunst nicht für alle. Entscheidend ist, daß der Künstler niemandem den Zugang verwehrt, daß die Zuhörer nicht nach bestimmten Kriterien gewählt werden wie z. B. Bildungsstand, Beruf, Status... Nicht die Anpassung an den Geschmack des Publikums ist also gefordert, sondern die Öffentlichkeit der Kunst. Ist Kunst in diesem Sinn "für alle", dann muß von den Zuhörern Interesse und Aufgeschlossenheit erwartet werden und die Bereitschaft, sich um das Neue zu bemühen. 
 

(1) N. Elias: Mozart, suhrkamp Taschenbuch 2198,1993
(2) Badische Zeitung vom 12.08.93
(3) A. Mäckler, Hrsg.: Was ist Kunst? DuMont Tb.197, 1989
(4) S.82, (5) S.84, (6) S.84 

 

 


Klaus Weinhold

Ein relativer Standpunkt

Die Diskussion über die Arbeit mit und um die Elektronische Musik und damit um die Musik überhaupt ist in diesem Jahr 1993 in unseren Kreisen voll entbrannt. Wir mögen das bedauern, erfordert doch die Diskussion über einen Sachverhalt, den wir eigentlich für geklärt halten könnten, viel Zeit und Kraft. Aber offenbar ist es in keiner Weise klar, was diese sogenannte Elektronische Musik ist. Ein aktuelles Beispiel: Die Veranstaltung elektronischer Musikproduktion in Osnabrück in diesem Sommer nannte sich "Klangart", das Wort Musik kam darin nicht vor. In einer Besprechung in einer Musikzeitung wird dazu formuliert, daß der Begriff Elektronische Musik inzwischen von der Popularmusik vollständig okkupiert worden ist. So wird sicherlich manch einer von den Interessenten Elektronischer Musik glauben, daß er auch bei uns solche "Popularmusik", ganz gleich welcher Art, zu hören bekommt, und wird enttäuscht von dannen ziehen, da etwas ganz anderes bei uns aus den Lautsprechern tönt. Auch bei uns kam der Gedanke "Klangart" auf, wir wollten jedoch sprachlich korrekter sein und kamen auf den Begriff "Audioart", beide Teile des Begriffes wären dann aus der lateinischen Sprache genommen. Damit zur Grundfrage: Machen wir, sollen wir Musik machen? Und sollen wir das, was vielleicht anders als Musik ist, diese Audioart, auch als Musik anbieten? Was traditionelle Musik ist, sollte klar sein. Seit Plato haben sich die Theoretiker über diese Frage ausgelassen, man kann dies in jedem Musiklexikon unter dem Begriff musica nachlesen. Es ist immer von der göttlichen Offenbarung, von den Musen und dem Geschenk des Himmels die Rede. Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt spielte immer eine Rolle: Musik als Mittel zur Beruhigung, zur Ruhigstellung, zur Stimmungsmache bis heute, wo sich dies in der Form der Musiktherapie niederschlägt. Musik sollte deshalb verboten werden, denn damit ist ein ganz zentraler Punkt angesprochen: Musik zeigt immer eine harmonische Welt, und unser Begriff der Harmonie hat sich verengt auf gute und schöne und angenehme Klangverhältnisse. 
Die Musik offeriert uns im Abendland ein System. Dieses ist von Menschen für Menschen menschlich zubereitet worden. Nur selten erfährt der Hörer etwas von den Inhalten dieses Systems. Wenn man einmal in einer Radioansage, was immer seltener wird, gesagt bekommt, daß ein Stück in G-Dur steht, ist es schon viel, was man vom System mitbekommt, meistens erfährt man nur die Namen der Musizierenden. Die theoretisch-analytische Auseinandersetzung über die Grundlagen des Systems steht im Moment nicht nur in der musikalischen, sondern auch in der politischen Diskussion nicht an erster Stelle. 
Das traditionelle Musiksystem ist vordergründig. Es geht vom Menschen aus, so wie der den Sternenhimmel betrachtende Mensch glaubt, daß sich die Sterne bewegten, und wie der den Sonnenuntergang beobachtende Zeitgenosse tatsächlich der Meinung ist, daß die Sonne sich um die Erde bewege. Kurz und gut, das sind kulturelle und konventionelle Betrachtungsweisen, die Realität ist eine andere. Die klassische Musikbetrachtung verstellt uns nun auch den Zugang zu der eigentlichen Realität dessen, was Grundlage von Hörerlebnissen ist: Die Erkenntnis von Schwingung und deren ungezählte Überlagerungen. Wir kommen damit zu einer anderen Betrachtung der schwingungsfähigen Realität, wir dringen in sie nicht über die Kultur von oben ein, sondern von unten, von der Natur her und versuchen sie von dort neu aufzubauen und erst einmal zu erkennen. Und damit sind wir bei den nackten Elementen, den Urphänomenen: Ein solches nacktes, farbloses, uninteressantes, langweiliges Element ist der Sinuston, den wir leider nicht mehr oder nur mühsam aus den neuesten elektronischen Instrumenten herausholen können. Der Sinuston als regelmäßige Schwingung, sich nach einem Zufallsprinzip verändernd: Das wäre der Anfang einer neuen "Klangart". Indem wir diesen immer weiter und immer mehr übereinander schichten, kommen wir zu dem, was die traditionelle Musik mit dem Übereinanderschichten vorgefertigter Produkte, den Tönen erreicht hat, zu einem neuen Klang. Damit ist etwas gesagt, was gegen manche neue elektronische Musikinstrumente spricht, indem sie uns in diesem Hintergrund von unten keinen Einlaß gewähren und indem sie uns doch wieder nur eine Fortsetzung mit anderen Mitteln bieten. Im Gegensatz dazu: Der ständige unendliche Neuanfang, das unendliche Suchen, das man mit dem Wort Experiment übersetzen kann. Dieses Experimentieren führt sicher zu vielen Mißerfolgen, und dennoch: Vielleicht ist dieses Gefundene allemal interessanter als das Vorgefertigte, wo man immer weiß, "wie es weitergeht".
Wir haben versucht, eine Betrachtung der Elektronischen und klassischen Musik zu geben. Wichtige Begriffe dieser beiden Klangformen sind auf der einen Seite Zubereitung und Anpassung für das traditionelle System und experimentelle Innovation auf der anderen Seite, Sicherheit und Geborgenheit, ja Therapiefähigkeit auf der einen Seite, Unordentlichkeit, Unsicherheit, Destabilisierung auf der andern Seite. Wir wissen, was der Mensch braucht oder glaubt zu brauchen. Die Kultur sorgt für diese Notwendigkeit, die Natur tut es nur teilweise. So sollten wir uns klarmachen, daß die Soundelektronik uns von der Kultur hinweg führt, hinein in die von Menschen unabhängige Natur. Daß in dieser Natur auch einmal dem Menschen Entsprechendes herauskommen kann, ist keineswegs ausgeschlossen und abzulehnen. Wer heute sich für das Ohr und damit das Hörbare interessiert und dafür begabt ist, wird kaum als Grundlage seiner musikalischen Erlebnisse das Heulen des Windes. das Rauschen des Baches oder Geräusche der Müllabfuhr nehmen, obwohl gerade diese Dinge der Ausgangspunkt einer Hörwahrnehmung und damit einer Welterkenntnis sein könnten. Der musikalische Mensch wird im Kreislauf zwischen eigenem Bedürfnis und Erziehenden, z.B. Eltern, oft schon in früher Jugend in die musikalische Kulturwelt eingeführt. Der Adept ist damit für sein Leben für einen anderen Zugang zur "Klangart" nicht mehr oder nur kaum befähigt. Damit wird deutlich, und wir kehren so zum Anfang zurück, daß in der Diskussion der sog. Elektronischen Musik es nicht darum geht, ob DX7 oder ein Presetinstrument mit schönen Klängen, sondern daß es darum gehen muß, die Grundlagen des Menschen und des menschlichen Bewußtseins neu zu überdenken. Das zu Ende gehende Jahrhundert hat uns eine neue Physik und eine neue Astronomie beschert, was bisher fehlt, ist eine dazugehörige "Klangart", die sich grundsätzlich von Prinzipien wie Tonalität in der Musik, Zentralperspektive in der Malerei und der Newtonischen Physik trennt. Dieses waren geschlossenen Systeme, und der Mensch glaubte, so sei es. Wir wissen heute, daß es weitgehend nicht so ist, daß man es aber so sehen kann und so hören kann. Wir könnten dazu beitragen, mit unseren neuen Mitteln etwas zu dieser neuen Weltsicht beizusteuern. 
Ein letzter rückblickender Hinweis: Die 68er Bewegung machte uns glauben, daß es so etwas Neues gibt. Die musikalischen Aktivitäten der 70er Jahre führten zu einer Befreiung, die es ermöglichte, sich der Systemkritik und damit der musikalischen "Unterwelt" überhaupt zuzuwenden. Wir alle wissen, was heute gefragt ist, und damit haben wir keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Therapie der elektronischen "unterweltlichen" Klangerzeugung ist zwar auch eine Heilung, aber eine von den Ideologien und Illusionen einer schönen Welt, wie sie uns jede klassische Kunst glaubt vorstellen zu müssen.

 

 


Wilhelm Sauter

Doepfer VMC 32 - der Test

Das VMC 32 ist ein Produkt der Firma Doepfer aus München. Dieses Gerät kann als Bausatz in verschiedenen Ausbaustufen oder aber als 19'' Zoll Fertiggerät bezogen werden. Hinter dem Namen verbirgt sich Voltage to MIDI Converter oder spannungsgesteuerter Controllergenerator. Aber alles erst der Reihe nach.

Der Controllermodus: 

Das VMC 32 kann alle 128 Controller mit vollem Wertebereich von 0 bis 127 generieren, falls man es am Eingang mit einer Spannung im Bereich von 0 bis 5 Volt "füttert". Bei Bezug des Fertiggerätes braucht man sich darüber keine Gedanken machen, hier übernimmt ein Schieberegler diese Aufgabe. Interessant ist dies jedoch für den Klangtüftler: Er kann seinen Controller durch einen "alten" analogen Randomgenerator, Drucksensor oder LFO steuern. Ein Beispiel: Man lege Controller "0" als Steuercontroller für den Filter innerhalb seines Synthesizers fest und steuere denselben mit dem VMC 32 an. Dadurch ist das Filter bequem mit dem Regler oder anderen oben genannten Accessoires zu steuern. Je nach Synthesizer können mehrere Controller intern festgelegt werden und schon hat man im Zusammenspiel mit dem VMC 32 eine quasi analoge Bedieneroberfläche. Bis zu 32 Controller stehen sofort zur Verfügung, die anderen Controller werden durch weiterschalten in 16er Schritten erreicht. Beim Bausatz wird man sich überlegen wieviel Controller tatsächlich nötig sind, und seinen Aufbau entsprechend gestalten. Das 19'' Fertiggerät hat eine Frontplatte mit 32 Schiebereglern. Der MIDI-Kanal sowie das Weiterschalten der Controller-Nummern kann nur durch Umschalten von Miniaturschaltern auf der Platine erfolgen. Da dieses Prozedere nicht gerade anwenderfreundlich ist, hat die Firma Doepfer die Software Version 2 erstellt: Ein neues Betriebssystem, ein nichtflüchtiger Speicher, ein einfaches MIDI-Programm (wird mitgeliefert), und schon ist es möglich, jedem Regler eine beliebige Controller-Nummer plus MIDI-Kanal zuzuweisen. Gerade für Live-Anwendung (d.h. ohne Computer) ist dies unschätzbar: jeder Klangerzeuger kann individuell angesprochen werden. 

Volumenmodus: 

Doch noch sind die Möglichkeiten nicht ausgenutzt. Der VMC 32 kann in den Volume-Modus umgeschaltet werden: Es wird auf 16 aufeinanderfolgenden MIDI-Kanälen der Controller 7 (=Volume) plus zwei weitere Controller erzeugt, z.B. kann man damit einen dynamischen Mix auf seinem Software-Sequencer erstellen. 

Zusammenfassung: 

Wer mit der Software Version 1 arbeitet wird vermissen, daß auf der Frontplatte keine Möglichkeit besteht, den MIDI-Kanal umzuschalten. Dieser Mangel wird durch die Arbeit mit einem Software-Sequencer eingeschränkt, vorausgesetzt das VMC 32 ist vor den Computer geschaltet. 
Die Software Version 2 ist für die Livearbeiter besonders zu empfehlen, weil damit jeder Synthesizer übersichtlich anzusteuern ist. Unbedingt wünschenswert wäre es, den Wertebereich des einzelnen Reglers programmieren zu können, denn damit hätte man ein Werkzeug für wirklich alle denkbaren Einsatzmöglichkeiten, da es Geräte gibt, deren Controller-Nummern nur wenige Wertebereiche umfassen (z.B. div. LXP 5 Parameter). In diesen Fällen muß bisher mit größtem Feingefühl gearbeitet werden. Dem Selbstbauer sei mit auf den Weg gegeben: Gute Löt- und Elektronikkenntnisse sind nötig. Ansonsten ist der Aufbau unkritisch und bestens dokumentiert. 
Das VMC 32 ist eine hervorragende Ergänzung für die "reglerlose" MIDI-Generation und gibt dem Anwender die Möglichkeit der Echtzeitsteuerung. Das Gerät läuft seit dem ich es aufgebaut habe zuverlässig und der überaus günstige Preis läßt auch die leidige Steckernetzverbindung und das Fehlen eines Displays verschmerzen. 

 

 


Walter Birg

Die Inakzeptanz moderner Musikinstrumente durch die zeitgenössischen Komponisten

Häufig wird, besonders von denjenigen Musikschaffenden, die dem Neuen zugewandt sind, die Frage gestellt: Warum werden die neuen Instrumente mit ihren faszinierenden Klängen von der Mehrzahl der Komponisten nicht in ihren Kompositionen verwendet? 
Dies hat möglicherweise mehrere Gründe, von denen einige mit Sicherheit Trägheit, mangelnde Kenntnis und Kleben am Althergebrachten sind. Insoweit könnte man sich die Analyse sehr einfach machen. 
Es gibt jedoch noch einen tieferliegenden Grund, der nicht zu übersehen ist: Die Lebensdauer der neuen Instrumente! 
Wenn 1983 ein Komponist ein Stück für zehn DX7 geschrieben hätte, könnte man es heute (1993) kaum noch aufführen, da diese Geräte nicht mehr gebaut werden. Natürlich gibt es heute Besseres, und man könnte sich mit Samplern behelfen usw., aber das spezielle Gerät, der DX7 ist in der historischen Versenkung verschwunden. Und was für dieses Gerät - den wohl wichtigsten Synthesizer bisher - gilt, gilt in verstärktem Maße für alle anderen. 
Was tut der Komponist, der ein "epochemachendes Werk der Menschheit für die nächsten Jahrhunderte" schenken will? - Er verwendet Violinen, Trompeten und Pianos, wie sie seit langem in hervorragender Qualität gebaut wurden und immer wieder neu gebaut werden! 
Fazit für die Musikinstrumenten-Hersteller, wenn sie wirklich ihre neuen Instrumente von der Neuen Musik akzeptiert sehen möchten: (oder wollen sie das gar nicht?): Es müssen verbindliche Konstruktionsbeschreibungen her, so daß die Instrumente jederzeit mit gleicher Qualität reproduziert werden können, damit der Komponist/ Produzent darauf vertrauen kann, daß sein Werk auch noch in Jahren adäquat aufgeführt werden kann.

[Erwiderung von Gerda Schneider in ZeMT Nr. 13 „Eine andere Konsequenz”]

 

 


Corinna Uhl

Wo ist das Publikum?

Keine Veranstaltung kommt ohne Publikum aus. Zuhörer- bzw. Zuschauerzahlen gelten als Maßstab für den Erfolg. Bezieht man diese Aussage auf musikalische Veranstaltungen, so stellt man fest: Je moderner die Vorführung, desto geringer ist die Anzahl der Zuhörer. Dies betrifft nicht nur uns als elektronische Musiker, dieses Phänomen existiert ebenso im Jazzbereich wie in der "klassischen" zeitgenössischen Musik. 

Ein Vergleich der Publikumsituation mit zeitgenössischen Jazz-Musikern ist durchaus angebracht. Aufgrund der Entwicklungen in der Musik ist zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Musikgeschichte eine Kluft zwischen Musikern und Zuhörern entstanden, die die Fähigkeit des Zuhörers, diese Musik zu verstehen, überstieg. Es gibt ebenso Parallelen in der klassischen Musik. Bach, Händel, Haydn und Mozart schrieben für eine bestimmte Funktion, für Kirche oder Staat. Das Ausmaß, inwieweit sie Ihre Auftraggeber zufriedenstellen konnten, war der Maßstab Ihres Erfolgs. Erst mit den Romantikern entstand eine neue Haltung. Jetzt wurde Musik geschrieben, in der sich der Komponist persönlich ausdrückte. Die romantischen Komponisten entfernten sich immer mehr von volkstümlichen Melodien und einfachen Tanzrhythmen und konzentrierten sich auf ihren individuellen musikalischen Ausdruck. Diese Diskrepanz zwischen der Vision des Komponisten und dem Verständnis des Publikums erreichte Ihren Höhepunkt im 20. Jahrhundert mit den Innovationen Schönbergs und seinen Anhängern. Die Erweiterung der Tonalität und die Emanzipation der Dissonanz waren Teil einer stilistischen Evolution von Bach bis zum 20. Jahrhundert. 

In einem Zeitraum von 65 Jahren passierte das gleiche im Jazz. "Die Tatsache, daß man weder tanzen noch mitsummen konnte, verursachte den ersten Riß zwischen Jazzmusiker und dem Publikum."(1) Auch Elektronische Musik ist weder tanzbar noch melodiös. Der Zuhörer muß sich mit der Musik selbst auseinandersetzen, da sie keine anderweitige Interpretation zuläßt. Ist sie tanzbar, wird sie als Pop- oder Discomusik klassifiziert, stellt man sich Meereswellen oder Roboterfabriken beim Hören vor, fällt dies unter Programm-Musik. Elektronische Musik ist anders. Sie konzentriert und reduziert sich auf sich selbst. Sie enthält genügend Information, so daß sie keine Ablenkung braucht. 
Vielen fällt es schwer, ohne eine Erklärung diese Art von Musik zu verstehen. "Die Durchbrüche von Coltrane und seinen Kollegen, wie die von Schönberg, waren so allumfassend, daß sie die ganze Struktur der Musik transformierten, und machten es dadurch unmöglich für die meisten Zuhörer und professionellen Musiker, abzuschätzen, was passierte in dieser Zeit, ohne eine Art von Erklärung."(1)
Dennoch, genauso wie jemandem ein Bild spontan sehr gut gefallen kann, genauso kann auch Elektronische Musik auf einem emotionalen Level spontan Gefallen hervorrufen. "Zuerst einmal müssen wir akzeptieren, daß innovative Musik angenommen werden kann, sogar auf einem einfachen emotionalen Level, ohne irgendeine intellektuelle Analyse."(1)

Elektronische Musik ist immer anders und immer neu. 

"Als zeitgenössische Musiker müssen wir alles tun was wir können, um unsere Musik so vielen Leuten wie möglich zu präsentieren."(1)

Sicherlich können wir nie mit Massen von Zuhörern rechnen. Dennoch: Je häufiger wir unsere Musik präsentieren, desto mehr werden davon erfahren. Und sie werden kommen - nicht immer, aber immer öfter. 
 

(1) Richie Beirach: Where is the audience? In: Keyboard (amerik.)/June 1987, S. 12

 

 


Walter Birg

Materialien zur Diskussion auf dem Fachschaftshaus über Elektronische Musik

Meine derzeitige Position bezüglich Elektronischer Musik: 

Elektronische Musik ist ein Teilbereich der Musik. Damit gelten alle Kriterien, die für die Musik allgemein gelten, auch für die Elektronische Musik, insbesonders ästhetische Kriterien. Es gibt keinerlei Beschränkungen bezüglich irgendwelcher Parameter, außer den ästhetischen, die der Komponist/Produzent sich selbst auferlegt. Insbesondere ist es erlaubt, beliebig elektronische Instrumente mit nichtelektronischen Instrumenten zu mischen, nichtelektronische auf elektronischem Weg zu erzeugen (Sampler, Synthesizer). Es gibt auch keine Verbote der Art: keine Dreiklänge! keine Rhythmen! keine klassischen Formen! usw. Oder Vorschriften der Art: Nur Serielles! Nur Atonales! Nur Experimentelles! 

Der Komponist/Produzent der Elektronischen Musik hat gegenüber dem traditionellen Komponisten allerdings den Vorteil, daß er faszinierende neue Klänge zur Verfügung hat und daß er sein "Orchester" - soweit er Synthesizer und Sampler benutzt - über Computer steuern kann. Damit stehen ihm eine Fülle von Zusatzmöglichkeiten der Klangbeeinflussung zur Verfügung, die der traditionelle Komponist nicht besitzt. Außerdem hat er die Möglichkeit, algorithmische Kompositionen zu gestalten, bei denen alle Parameter (wie Frequenzen, Klänge, Hüllkurven, Obertonspektren, Skalen oder Tondauern) das Ergebnis mathematischer Berechnungen sein können so daß sie sich erheblich von herkömmlichen Frequenzen, Klängen, Hüllkurven, Obertonspektren, Skalen und Tondauern unterscheiden können. 
Diese algorithmischen Kompositionen werden entweder in Realzeit ausgeführt und instantan wiedergegeben oder - bei entsprechend komplexeren Berechnungen - erst nach dem Abspeichern durch das abspielende Computerprogramm ausgeführt. Werke der Elektronischen Musik werden normalerweise vom Tonträger dargeboten werden, sie können aber durchaus auch in Form eines Konzertes dargeboten werden, wobei Mischformen (Menschlicher Interpret + Computer, oder Algorithmische Komposition mit traditionellen Passagen) durchaus möglich sind. 
 

Anmerkung der Redaktion:
Am 20. und 21. November 1993 wird ein Treffen im Fachschaftshaus am Schauinsland für ZeM-Mitglieder und sonstige Interessierte veranstaltet. Dazu stehen verschiedene Themen auf dem Programm. Teilnahme nur nach Voranmeldung. 

 


 

Rückseite


© ZeM e.V. | ZeM Mitteilungsheft Nr. 12 - Oktober 1993

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